Roll over Bellhofen 2009

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20.09.2009 von axeage

Roll over Bellhofen

Roll over Bellhofen

Es gibt nicht viele Musikfestivals, bei denen man so oft mit Handschlag begrüßt wird und mit der Frage „Hallo, wie geht’s“.
Eins dieser Festivals ist Roll over Bellhofen, das gestern zum dritten mal auf dem Sportplatz von Großbellhofen stattgefunden hat.

Veranstalter dieses außergewöhnlichen Events sind die Dr. Loew’schen Einrichtungen, die unter anderem ein Heim für geistig behinderte Menschen in meinem Heimatdorf betreiben und tatsächlich ist es so, dass neben der hervorragenden Auswahl der Bands vor allem die behinderten Menschen das besondere Flair und den Reiz dieses Festivals ausmachen.

2007, als das Festival zum ersten Mal stattgefunden hat, habe ich bereits hier darüber berichtet und geschrieben, dass man schon über seinen eigenen Schatten springen und sich darauf einlassen muss, auf die Offenheit, auf die Direktheit, aber auch auf die unbändige Freude, die behinderte Menschen an den Tag legen, vor allem dann, wenn sie laute und gute Rockmusik hören.

Um 13:00 Uhr ging’s los, allerdings bin ich erst gegen 15:00 Uhr eingetroffen und hatte somit die erste Band The Shed bereits versäumt. Als ich das Festivalgelände betrat und schon mehrfach Hände geschüttelt und die Frage beantwortet hatte, wie es mir geht, legten gerade The Truffauts los. Legendärer Indierock hieß es auf dem Plakat und tatsächlich boten die vier Herren mit Bass, zwei Gitarren und Schlagzeug gediegen Melodiöses, das hie und da auch etwas schmissiger daher kam, sehr zur Freude des vor der Bühne agierenden Dirigenten, der ab und zu im Stechschritt und mit militärischem Gruß den Bereich vor der Bühne abschritt und peinlich darauf achtete, dass keiner seiner Kollegen, die vorher von ihm abgesteckten Grenzen seines Terrains übertrat.

The Truffauts

The Truffauts

In der darauf folgenden Pause wurde Qigong und Tai Chi geboten. Die meisten Teilnehmer trugen dazu Stirnbänder mit chinesischen Schriftzeichen und folgten konzentriert und begeistert den Anweisungen des in traditionellem Gewand auftretenden Instruktors.

Qigong in der Umbaupause

Qigong in der Umbaupause

Faszinierend, wie inbrünstig und mit welcher Hingabe jeder Einzelne darauf bedacht war, die Übungen möglichst genau so zu machen, wie sie vom Qigong-Lehrer gezeigt wurden.
Dass diese Performance etwas besonderes war, bewiesen auch die Musiker der nachfolgenden Band, die, nachdem sie aufgebaut hatten, sehr interessiert und sichtlich beeindruckt das Treiben vor der Bühne beobachteten.

Dann folgte ein Gig, der in mehrerlei Hinsicht einzigartig war. The Pickles spielen nämlich seit über zehn Jahren nicht mehr zusammen und haben sich nur auf Wunsch der Festivalveranstalter, deren Leiter ein großer Fan und persönlicher Bekannter der Bandmitglieder ist, für diesen Auftritt noch einmal zusammengetan.

The Pickles

The Pickles

Ein altes Keyboard, ein VOX AC30 Verstärker, eine Les Paul Gitarre, ein entfesselter Schlagzeuger und ein Mann am Mikrofon, der, wenn es sein musste, auch einmal mitten ins Publikum sprang, oder sich singend vor’m Schlagzeug wälzte, das waren die Zutaten zu einer Performance, die mitreißender und abwechslungsreicher nicht hätte sein können. Welche Art von Musik die vier gespielt haben, kann ich gar nicht rechtschaffen sagen. Rock & Roll war es auf jeden Fall und very bloody good sowieso.

Very bloody good, mein Herr

Very bloody good, mein Herr !

Schade, dass The Pickles relativ pünktlich Schluss machen mussten, denn die nachfolgende Band, The Rockin‘ Lafayettes, hatten an diesem Abend um 21:00 Uhr noch einen Gig in Nürnberg und drängten auf die Bühne.
Und die vier Jungs in ihren Anzügen, mit ihren uralten Verstärkern, Gitarren und Mikrofonen heizten mit Rockabilly und Rock & Roll aus den 50er und 60er Jahren dem Publikum auf dem Sportplatz von Großbellhofen noch mal so richtig ein.

The Rockin Lafayettes

Männer mit Hüten und alten Gitarren - The Rockin' Lafayettes

Selbst Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte wurden mitgerissen und als eine junge Dame die Bühne eroberte und die Band nach Kräften unterstützte, sorgte sie damit für einen weiteren jener magischen Momente dieses Festivals, derer es an diesem sonnigen Samstag Nachmittag schon einige gegeben hatte.

The Rocking Lafayettes mit Unterstützung

Integration durch Rock & Roll

Roll over Bellhofen ist und bleibt für mich deshalb eine echte Perle unter den Festivals und ich hoffe, diese Konzertreihe wird noch viele Jahre fortgesetzt. Die Auswahl der Bands, der lauschige Veranstaltungsort mitten im Wald, und nicht zuletzt der integrative Gedanke, behinderte und gesunde Menschen durch Musik zusammenzubringen, passen als Kontrast ganz hervorragend in eine Veranstaltungslandschaft, die inzwischen allzu sehr auf Kommerz und Masse setzt.

Also, Ihr Nichtbehinderten da draußen im Nürnberger Land, gebt Euch einen Ruck, lasst einen Samstag Nachmittag im Jahr mal Euren Rasen wachsen, Euer Auto ungewaschen und den Club ohne Euch gegen Bayern verlieren und besucht Roll over Bellhofen. Ihr werdet es nicht bereuen, nicht nur der guten Musik wegen – versprochen!

Ein Kommentar zu “Roll over Bellhofen 2009

  1. Erwin Walter sagt:

    Hi Axel, ich würde dich gern über RoB 2010 informieren
    und dir den neuen Flyer zusenden
    cheers, Erwin

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