Vier Bock, vier Ramsch

7

27.09.2010 von axeage

Baustelle hinter dem Elbtunnel. Verengung auf eine Spur. Wir sitzen schon fünf Stunden im Auto. Die Navi-Else rät zu keiner Umleitung, aber wir verlieren die Nerven und quälen uns durch die Vororte von Hamburg. Das war keine gute Idee, überhaupt keine gute Idee. In Quickborn wollen wir wieder auf die Autobahn. Hier soll der Stau endlich vorbei sein. Vorher kaufen wir in einem Supermarkt noch sämtliche Fünfliterfässer Bier auf. Das Ziel, der Ringköbing-Fjord in Dänemark ist noch weit. Am Ende brauchen wir nicht sieben, sondern über elf Stunden für eine Strecke von etwa 750 Kilometern. Als wir ankommen, ist es schon dunkel und zu spät, das Meer zu begrüßen.

Herrenpartie mit Hans, Hardy und Micha. Das war früher einmal eine illustre Skatrunde. Weil aber der vierte Mann keine Lust mehr auf Herrenpartie hatte, ist er aus- und ich eingestiegen. Micha und Hardy kenne ich schon lange. Hans noch nicht. Na, wird schon klappen.
Nach der langen Fahrt schmeckt das lauwarme Bier so gut, dass uns am nächsten Tag ordentlich der Schädel brummt.

Leergut (anonymisiert)

Nach dem Frühstück rückt erst einmal der unvermeidliche Kloak-Service an, weil natürlich die Abwasserleitungen verstopft sind. Das ist so in Dänemark. Der Wagen kommt schnell, der Mann mit dem unappetitlichen Job öffnet die Sickergrube, schickt einen Raketenschlauch auf die Reise und im Nu senkt sich der Grundwasserspiegel in Klo und Spüle. Und weil Sonntag ist und die Aktion nicht länger als zehn Minuten dauert, bekommt Mr. Kloak von Micha eine Flasche Wein geschenkt.

Sonntagsdienst in Dänemark

Dann Köpfe auslüften am Strand. Die Gegend hier am Fjord ist ja wirklich herzallerliebst, mit den kleinen, in den Dünen versteckten Häusern, viele aus Holz, viele reetgedeckt. Aber was wirklich furchtbar, ganz furchtbar ist, sind die vielen Bunker, die hier immer noch herumstehen und die Landschaft verschandeln. Atlantikwall nannte sich dieser Nazi-Wahnwitz. Eine fast 2700 Kilometer lange Linie befestigter Stellungen entlang der Küsten des Atlantiks, des Ärmelkanals und der Nordsee. Allerfeinstes Adolf-Erbe.

Nazi-Erbe am Dänenstrand: Bunker

Am Nachmittag kommt die Sonne raus. Micha und ich spielen neun Loch auf dem neuen Kurs im Golfclub Holmsland Klit. Weil wenig Wind weht, spiele ich recht gut. Eine Regelfrage beschäftigt uns noch den ganzen Abend. Darf der Ball im seitlichen Wasser zwecks Identifizierung aufgehoben werden oder nicht?  Zu meiner Zeit (Gott, wie das klingt) durfte man das nicht. Im Jahre 2008 wurde die Regel allerdings geändert. Ach herrje, ich werde alt.
Als wir in die Hütte kommen, hat Hardy bereits gekocht. Das ist Leben!

Asiatisches Hühnerbein mit aufgelaufener Nudel

Der nächste Tag ist verregnet. Museums- und Aquariumsbesuch in Hvide Sande. Danach wird die Sauna mit Fichtennadel-Aufguss bedampft und nach dem Essen werde ich, der normalerweise nur schafkopfende Franke, in die Kunst des Skatspiels eingeweiht, nachdem ich am Abend vorher kläglichst beim Trivial Persuit versagt hatte.
Vier Bock, vier Ramsch sind die Spiele des Abends, weil schon mal das eine ums andere Kontra verloren wird.
Erst am Folgefolgetag, als ich auf Anraten von Hans etwas von meinem Anfänger-Hasardeurspiel abrücke, werde ich Zweiter hinter Michael. Wie übrigens auch beim Golf, bemerkt dieser hämisch grinsend. In den letzten Monaten ist er bedenklich nahe an mein Handicap gerückt und ich habe seither kaum noch eine Chance gegen ihn.
Erst zieht man sie groß, dann werden sie frech. Undank ist der Mühe Lohn.

Hans, der noch nie einen Golfschläger in der Hand hatte, muss natürlich auch mal ran. Es gibt einen Sechs Loch Kurzplatz. Micha und ich versuchen unser möglichstes, Hans vom Unterschichtensport Fußball hin zum Boomsport Golf zu bewegen, zumal er als eingefleischter Schalke-Fan derzeit sowieso kein leichtes Sportler- und Fanleben hat. Aber nach sechs Loch mit uns und weiteren sechs mit Hardy ist er weiterhin der Meinung, lieber sollten sich 22 Mann um einen Ball streiten, als jedem seinen eigenen zu geben.

Viele Trainer verderben den Golfer

Fast hätten wir unsere mitgebrachten Fahrräder vergessen, die achtlos in einem kleinen Nebengebäude stehen. Aber weil sich die Herren Raucher bei Regen in ebenjene Nebenhütte verdrücken, rufen sich die Räder ab und zu in Erinnerung. Eine kleine Tour zum nahe gelegenen Leuchtturm sorgt am nächsten Tag auf dem Hinweg ob des Gegenwinds und der geschlossenen Leichtturmkneipe für Unbill. Der Heimweg allerdings fährt sich mit Rückenwind in fast der Hälfte der Zeit.

Der Leuchtturm von Lyngvig (Jütland)

Am Abend befreien Hardy und Micha digital Afghanistan von den Taliban und im nahe gelegenen Sondervig haben Künstler beim Sandskulpturfestival vollkommen analog ihre Geschichte vom Bau der Pyramiden „verewigt“.

Sandskulptur: Karavane, Hieroglyphen und Windräder

Zehn klassische Fragen in der Sandskulpturenbranche

In einer weiteren, ebenfalls analogen Golfrunde verliere ich noch einmal gegen Micha. Wieder mit zwei Schlägen Unterschied. Wieder ist es der Wind, der uns im Allgemeinen und mir im Besonderen zu schaffen macht. Nach dieser Runde sitze ich reichlich verstockt in der Sauna und lasse niemanden in den Whirlpool.

Der letzte Abend gehört erneut dem Kartenspiel. Wegen zu vieler Böcke und zu vieler Rämsche diesmal nicht Skat, sondern ein lange nicht gespieltes, feines Spiel mit nur drei Karten. Einunddreißig oder Schwimmen heißt das alte Zockerspiel, das an alte Studententage erinnert und damals Schnauz hieß.

Und schon ist es wieder Samstag. Abschiedsspaziergang zum Meer in der Hoffnung, dass sich demnächst mal jemand erbarmt, diese verfluchten Bunker abzureißen, wegzusprengen oder auf den Mond zu schießen. Das Meer ist wild und grüßt heftig.
Die Heimfahrt verläuft ohne Stau. In der Gegenrichtung stehen sie bei Hamburg vor und hinter und im Elbtunnel.
Ach ja: Axel ist offiziell in den Herrenpartie-Kreis aufgenommen. In zwei Jahren geht’s entweder nach Schottland oder nach Irland. Bericht folgt!

Abendsonne vor Ferienhaus nach Golfrunde vor Saunagang

7 Kommentare zu “Vier Bock, vier Ramsch

  1. kuddels sagt:

    Wunderbar geschrieben!!!Richtig wohltuend Dein Deutsch!!Perfekt!!
    Nicht so , wie das „übliche“ Deutsch hier, ohne Interpunktion und alles „KLEIN“ geschrieben.
    Dänemark ist ein sehr schönes Land,aber teuer!
    Der Spaß , den ihr hattet , ist aus Deinen Zeilen heraus zu lesen.
    Liebe Grüße von Kuddel B.

  2. axeage sagt:

    Vielen Dank Kuddel, freut mich sehr.
    Ja, wir hatten viel Spaß und die Arbeit nach dieser Woche schmeckt überhaupt nicht 😉

  3. hanz sagt:

    Hi (oder wie sagt man in Dänemark?) Axel!

    Dicken Dank für Deinen schnellen (Hömma! Die Bremsen sind ja noch nicht ganz kalt!), ausgewogenen (Alle Eckpfeiler der stark kurzweiligen Fahrt sind erwähnt!) und mit vorteilhaften Bildern gesegneten (keine vom Alkohol gezeichneten Gesichter!) Reisebericht! Eins kann ich festhalten: Ich werde in Zukunft auch die golferischen Fähigkeiten von Tiger Woods bewundern!

    hanz

  4. axeage sagt:

    @hanz
    Mensch Hanz, muss ich jetzt im gesamten Text „Hans“ durch „Hanz“ ersetzen? Nö – oder?

    Mir geht’s mit Tiger Woods übrigens umgekehrt. Über seine golferischen Fähigkeiten war ich ja hinlänglich informiert.

  5. Micha!! sagt:

    Hallo Axel!

    Sehr schön! Schließe mich dem HanZ an. Glückwunsch zu der Aufnahme in dem Club „Jungfrau bin ich nie!!“ Es war ein sehr schöner Urlaub mit Euch – könnte schon wieder los!

    Koch

  6. Hardy sagt:

    Yes indeed!Oder wie der Däne sagt:braende holz!!
    Das war `ne feine Woche im Kreise wirklicher FREUNDE! Genug der Lobhudelei-in 2 Jahren sehen wir uns wieder!!!(oder bereits in 2 Wochen ;-))…und dann wird um britische Pounds geskatet-Schluß mit Nonnenhockey…

  7. axeage sagt:

    @Hardy
    @Micha!!
    @hanz

    Yeah !!!!

Kommentar verfassen ...

Kategorien

Archiv

September 2010
M D M D F S S
 12345
6789101112
13141516171819
20212223242526
27282930  

Kategorien

Archiv

September 2010
M D M D F S S
 12345
6789101112
13141516171819
20212223242526
27282930