Testosteron

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12.03.2009 von axeage

Gibt es eigentlich viele Amokläuferinnen? Oder Counterstrike-Spielerinnen? Wieviele Soldatinnen gibt es, wieviele Horrovideo-Konsumentinnen? Gibt es Messerstecherinnen oder Vergewaltigerinnen?
Blöde Fragen. Schlimme Zeiten. Aber machen wir uns nichts vor: Amok laufen, Gewaltspiele datteln, in den Krieg ziehen, Horrorvideos schauen, Messer stechen, vergewaltigen, das alles sind nahezu ausschließlich männliche Betätigungsfelder. Und jetzt mal ehrlich, meine Herren: jeder von uns hat in Gedanken doch schon mehr als ein Mal den einen oder anderen um die Ecke gebracht. Vielleicht nicht gerade mit einem Küchen- oder Tapetenmesser, aber wenn da eine handliche Beretta im väterlichen Nachtkästchen gelegen hätte, womöglich noch mit ausreichend Munition?

Ich fürchte, mit jungen Männern und dem Gefahrenpotenzial, das unweigerlich von ihnen ausgeht, werden wir auch in Zukunft leben (müssen). Amoklaufen – ein feiner Modesport dieser Tage. Gestern gleich zwei. Sweet Home Alabama und Where The Fuck Is Winnenden. Seit gestern wissen wir wo Winnenden liegt. Ganz genau wissen wir das. Der junge Mann hat tags zuvor prophezeit: Merkt euch nur den Name des Orts. Mensch und wir dachten schon, das wäre jetzt einer, der durch’s Raster gefallen ist, weil er so auffällig unauffällig war und sich nicht an die Regel gehalten hatte, seine Tat im Internet anzukündigen. Hat er aber doch, wie sich heute herausgestellt hat – braver Junge.

Keine Angst, ich trolle nur, hat er dann aber noch vorsichtshalber geschrieben und damit gemeint, dass er es nicht ernst meint. Gelogen, wie wir inzwischen wissen. Ein Offliner versteht so etwas überhaupt nicht und da fängt meiner Meinung nach das Problem an. Diejenigen, die ab und zu ein Auge auf junge Männer werfen sollten, weil sie nämlich ihre Väter oder deren Lehrer sind, sind offline. Sie haben keine Ahnung von dem WeltWeitNetzDingsBums da draußen und von Counterstrike und Ego Shooter und Second Live, Chat, Twitter und Blogs und wollen davon auch gar keine Ahnung haben. Tischtennis- und Schützenverein müssen ausreichen, denn mehr gibt die Vorstellungskraft für sinnvolle Freizeitbeschäftigung nicht her.
Sie schütteln lieber den Kopf und stellen sich die Frage: In welcher Welt leben wir eigentlich. Aber diese Frage dürfen sie sich getrost schenken und zwar nicht nur deshalb, weil es noch keine siebzig Jahre her ist, als Gewalt nicht als Spiel auf dem Computer ausgetragen wurde und nur ab und an zu einem kleinen Amoklauf ausartete – was beileibe nicht nur daran lag, dass es damals noch keine Computer gab.

Junge Männer: die gefährlichste Spezies der Welt, das war mal der Titel einer Spiegel-Ausgabe. Seit gestern wissen wir wieder, warum.

Nachfolgend ein paar Beiträge zu dem Thema aus Großbloggersdorf, auf die ich an dieser Stelle verweisen darf:

8 Kommentare zu “Testosteron

  1. axeage sagt:

    Das Schlimme ist ja, dass es in den meisten Fällen kein Amok ist, denn wahllos töten die Jungs ja nicht.
    Im Falle Winnenden wurden vornehmlich Frauen und Mädchen umgebracht. In Erfurt waren es Lehrer.
    Es ist eigentlich ein generalstabsmäßig geplanter Selbstmord, bei dem möglichst viele verhasste Menschen mitgenommen werden und der Wunsch, ein letztes Mal in der Position absoluter Macht zu sein. Danach ist Schluss. Schwarzes Loch. Ende.

  2. Barbara sagt:

    Weißt Du eigentlich, dass ich die ersten 20 Jahre meines Lebens in Winnenden verbracht habe? In den nächsten Wochen muss ich das nicht mehr mit „das liegt bei Stuttgart“ erklären…

  3. axeage sagt:

    @Barbara
    Ich erinnere mich, wir haben vor Zeiten mal eine Fete gefeiert in Flachslanden. Dieser Ort wurde und wird heute noch mit einer ziemlich üblen Kinderschänderfamilie in Verbindung gebracht.
    Jeder, dem wir den Veranstaltungsort mitgeteilt haben, hat erst mal die Nase grümpft und gesagt/gedacht: „Ist das nicht da, wo …“

  4. dirtydan sagt:

    Ich (einer von der Online-Fraktion der Lehrer) hab dazu ein nettes Gedicht – wer mag, darf es als Steigerung sehen:

    Amok
    Erziehungsamok
    Bildungsamok
    Medienamok
    Koma

  5. Ich habe es rückblickend immer für Zeitverschwendung gehalten, dass ich so viel und fast nur Fußballmanager am Computer gespielt hatte. Heute, mit Blick auf Winnenden, denke ich ich: Ganz verkehrt war das nicht. Wobei ich mich hüte, irgendeine simple Erklärung für ein solches Verbrechen zu liefern.

  6. Schau mal, die aktuelle Titelgeschichte des „Spiegels“:

    Amokläuferinnen gibt es höchst selten. „Wir Männer sind eher gefährdet, weil uns das Testosteron aggressiver macht“, sagt Freileder. Hinzu komme das Rollenverständnis: Ein Mann reagiert offensiv auf Konflikte und nicht mit Rückzug. Der Jugendpsychiater beobachtet allerdings, dass auch Mädchen zunehmend gewaltbereit würden. „Die Rollenbilder gleichen sich an, irgendwann wird es auch Amokläuferinnen geben“, prophezeit er.

  7. axeage sagt:

    @Christoph Wesemann
    Vielen Dank für den Hinweis.
    Das macht Mut und zeigt, dass es immer gut ist, auch einmal bei den Bloggern zu recherchieren.

    Was Freileder allerdings vergisst bei der Aussage „Die Rollenbilder gleichen sich an, irgendwann wird es auch Amokläuferinnen geben“ ist, dass ihnen dazu das nötige Hormon fehlt.

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