That’s a Bingo
Hinterlasse einen Kommentar23.11.2010 von axeage
So, jetzt habe ich sie alle gesehen.
Drei haben mir noch gefehlt in meiner Sammlung. Zugegeben bei insgesamt sechs Filmen (wenn man Kill Bill I & II als einen Film zählt) sind das gerade mal fünfzig Prozent. Mich also zu den großen Kennern und Fans von Quentin Tarantino zu zählen, wäre bis vorletzte Woche wohl eher Anmaßung gewesen. Aber Dank einer Erkältung, die mich zwei Tage auf die Couch und damit vor die Flimmerkiste gezwungen hatte und zweier netter Arbeitskollegen, die mir den vorletzten und den letzten Tarantino-Film auf DVD gebrannt haben, habe ich jetzt alle Filme des Meisters gesehen. Alle! Was zur Folge hat, dass ich mich jetzt hochoffiziell und zurecht als großen Fan von Quentin Tarantino bezeichnen darf.
Die Tage des Quentin begannen vor gut zwei Wochen mit seinem Erstling Reservoir Dogs. Der schwirrte noch auf der Festplatte des Rekorders herum und war ob der erwähnten Erkältung eine willkommene Abwechslung zu Hustentee und Taschentuch.
Der Film ist schon alleine wegen des Soundtracks sehens- und natürlich hörenswert. Ausgerechnet zu Stealers Wheels Stuck in the Middle with You, dem allerersten Song den ich in den 70er Jahren mit meinem Universum-Kassettenrekorder vom Radio aufgenommen habe, schneidet der widerliche Mr. Blonde dem armen, gefesselten Polizisten ein Ohr ab. Uaaah, ich darf gar nicht dran denken, aber Tarantino wäre nicht Tarantino, hätte er diese grausige Szene nicht als cooles Tänzchen arrangiert.
Ja, ich gebe zu, diese Szene ist grenzwertig, aber in diesem Film fließt nun mal hektoliterweise Blut und das Thema sind nun mal Gangster, also richtige Gangster und dazu gehören eben auch Psychopathen. Was aber bereits bei diesem ersten Tarantino-Film im Mittelpunkt steht, ist nicht die Gewalt, sondern die Szenenmontage und als echter Kontrapunkt zu sämtlich Gewaltstrotzendem, Bluttriefendem und Martialischem, der Dialog und das Kammerspiel. Darin steckt die eigentliche Intelligenz des Tarantino-Kinos, auch oder vor allem, wenn die Dialoge nichtssagend, manchmal sogar schwachsinnig zu sein scheinen. In dem, was die Gangsterrunde im Restaurant bei Reservoir Dogs oder die Mädels im Auto bei Death Proof oder der diabolische Standartenführer Hans Lader und der Milchbauer Perrier LaPadite bei Inglourious Basterds miteinander besprechen, werden sämtliche Charaktere festgezurrt, deren Rollen verteilt und in den Folgeszenen – meist verstörend-orgiastische Gewaltexzesse – entweder aufs Nachhaltigste bestätigt oder konterkariert.
Das ist in all seinen Filmen so und das wird, so nehme ich zumindest an, auch in seinen zukünftigen Filmen so sein. Was bei Inglourious Basterds allerdings ganz anders ist, ist die Umgebung. Nicht irgendeine amerikanische Stadt mit mehr oder weniger zwielichtigen Typen, sondern das von den Nazis besetzte Frankreich der 40er Jahre dient als Kulisse. Es ist mein Haufen-von-Kerlen-mit-einer-Mission-Film soll Tarantino gesagt haben und ich gestehe, ich bin froh, dass er darauf verzichtet hat, eine Persiflage auf die von ihm sehr geschätzten Italo-Western zu drehen. Ich mag Western nämlich nicht besonders, Nazis verarschen allerdings schon.
Ja gut, Nazis haben schon einige vor ihm verarscht: Mel Brooks, Charlie Chaplin, Dani Levy. Aber Tarantino belässt es nicht bei bagatellisierender Satire, indem er die Bösen als Trottel darstellt. Er nutzt das gesamte Spektrum, das ihm das Medium Kino bietet und lässt immer auch drastisch-schaurige Bilder sprechen. Fußball ist kein Nonnenhockey. Kino ist kein Sprechtheater und vor allem, Kino ist nicht Guido Knopp und nicht Political Correctness.
Und jetzt mal ehrlich: Wenn Brad Pitt als Lt. Aldo Raine seine Truppe, die Basterds zusammenstellt, von ihnen fordert, dass ihm jeder einhundert Nazi-Skalps bringen soll, oder später ein entfesselter Baseballschläger seine Arbeit verrichtet, dann löst das doch immer auch innerlichen Beifall bei uns Zuschauern aus und man denkt: Mensch, man hätte diesem Nazipack viel öfter mal den Arsch versohlen, ihm seine Grenzen aufzeigen, sie gegen die Wand laufen lassen sollen. Ging natürlich nicht, aber im Kino geht es eben. Die Bösen dürfen die Bösen bleiben und wenn das Böse mit einer oskarreifen Schauspielleistung eines Christopher Waltz auch noch ein solches Gesicht bekommt, kann man doch nur antworten: That’s a Bingo.
Sagt man doch so auf englisch, fragt Standartenführer Hans Lader am Ende des Films seinen Kontrahenten Leutnant Aldo Raine. Bingo antwortet dieser halb herablassend, halb angewidert und als Zuschauer weiß man sofort, dass das zufriedene Lächeln einschließlich Händereiben, zu dem sich Hans Lader daraufhin hinreißen lässt, ihm bald vergehen wird. Sehr bald.