Literaturtage Lauf 2010 – Jörg Maurer, Fritz Rau und Jürgen Schwab

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15.11.2010 von axeage

Literaturtage-Marathon 2010. Die Liebste und ich hatten in diesem Jahr trotz Eintrittspreisen von haushaltskassenplündernden drei EURO pro Lesung auch den Freitag- und den Samstag-Abend in der Bertleinaula zu Lauf verbracht. Bis letztes Jahr waren die Literaturtage ja kostenlos. Trotzdem waren die Lesungen in diesem Jahr durchwegs gut bis sehr gut besucht.

Ausverkauftes Haus am Freitag. Jörg Maurer stellte in seiner Lesung der etwas anderen Art seinen neuesten Alpenkrimi Hochsaison vor.
Naja, von Lesung kann man bei Maurer ja eigentlich nicht sprechen. Maurer macht recht launiges Musikkabarett. Er liest dazu aus seinem Buch jeweils ein Kapitel bis zu einem bestimmten Punkt, ergeht sich dann in Ergänzendem aus dem Bereich der Musiktheorie, der Folklore, dem Zeitgeschichtlichen oder dem Lokalkolorit.
Schließlich singt er ein mehr oder weniger zum Thema passendes Lied, das er recht gekonnt am E-Piano begleitet. Währenddessen wechselt er mehrfach Takt, Musikrichtung und Tonart, verrät beim Lesen nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig und sorgt alle paar Sekunden pointensicher für einen Lacher.

Das macht Spaß und taugt auch gut für eine Stunde. Dann ist man entweder so weit, einen oder gar beide seiner Alpenkrimis zu kaufen oder alles auf sich beruhen zu lassen und zu denken: ja, ganz nett.
Maurer ist ein Hundling, wie man in seiner Heimat Garmisch-Partenkirchen wohl zu sagen pflegen würde und versteht es, mit dieser, seiner Charaktereigenschaft und einer Portion Schreib- und Showtalent Geld zu verdienen.
An einen Hans Liberg, einen Rainald Grebe oder einen Andreas Rebers reicht Maurer zwar noch nicht heran, aber in Lauf sind ja auch keine Kabarett-Tage, sondern Literaturtage.

Am Samstag dann las zwar auch kein Literat, aber einer der viel zu erzählen hatte. Sehr viel. Fritz Rau, einst Deutschlands größter Konzertveranstalter, bekannt und befreundet mit jedem, der in Sachen Jazz, Blues, Rock&Roll und Schlager Rang und Namen hatte und hat, begab sich mit seinem Buch 50 Jahre Backstage auf eine Zeitreise zurück zur Geburtsstunde der Beat- und späteren Rock- und Popmusik. The Blues had a Baby and they called it Rock N‘ Roll soll Muddy Waters einst gesagt haben und dass dieses Baby wuchs und bekannt und berühmt und berüchtigt wurde, ist auch und vor allem Veranstaltern wie Fritz Rau zu verdanken.
Mit dabei: Jürgen Schwab, ein äußerst sympathischer Gitarrist, der an diesem Abend für die musikalische Unterstützung sorgte.

Ich gestehe, mich hat dieser achtzigjährige Mann, der den Vorverkauf seines ersten Konzerts im Jahre 1955 – Albert Mangelsdorff in der Stadthalle Heidelberg – noch selbst in die Hand genommen und nahezu jedem, der ihm über den Weg lief, eine Eintrittskarte aufgeschwatzt hatte, schwer beeindruckt.
Nicht, weil er ein so offensichtlich brillianter Geschäftsmann war, sondern weil für ihn zu jeder Zeit die Musik, der Künstler, die Live-Performance im Vordergrund stand. Wie sehr Livemusik Fritz Rau heute noch beeindruckt, war überzeugend zu beobachten, wenn sein junger Freund und Begleiter Jürgen Schwab zur Gitarre griff und Rau nach so manchem Song ein verzücktes Halleluja entfuhr.

Amerikanischer Jazz, der mit seinen unendlich scheinenden Möglichkeiten von Improvisation und Interpretation so völlig konträr war zur martialisch vorgetragenen und gleichschaltenden Marschmusik der Nazis war für Rau nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs gleichzeitig Erweckungserlebnis und Entnazifizierungs-Hilfsmittel. Der Blues als Heiler, Rock&Roll als Lebenseinstellung und die beinahe missionarisch verstandene Aufgabe, den Weißen, den Europäern, den Überlebenden der furchtbaren Zeit von ’33 bis ’45 die schwarzen Helden aus den amerikanischen Ghettos zu zeigen, sie ihre Musik spielen und uns an deren Bluesfeeling teilhaben zu lassen, das waren die Antriebskräfte für Rau und seine Partner. Nicht das Geld. Das Geld, sagte Rau wörtlich, kam zwar auch, aber es kam erst sehr viel später.

Natürlich blieb es bei einem solchen Vortrag nicht aus, dass Rau das eine ums andere Mal ein wenig pathetisch und gefühlsduselig wurde, aber das verzieh man ihm, hielten sich doch die Leseteile bei denen er sich selbstironisch auf den Arm nahm und die weltverbessernden und -verändernden Musikheiltheorien die Waage.
Selbstverständlich fehlten bei einem 50jährigen Backstage-Leben, wie Fritz Rau eins gelebt hatte, nicht die zahlreichen Anekdoten um all die Mick Jaggers, Bruce Springsteens und Jimi Hendrix‘, die wiederzugeben ich mir spare, käme es doch der Gemeinheit gleich, von einem Krimi zu verraten, wer der Mörder ist.

Zum Schluss sang Jürgen Schwab in bester Reinhard Mey Manier noch ein lobhudelndes Lied auf den Alten Fritz. Der ließ sich das gerne gefallen, klatschte und wippte im Takt der Musik mit und wurde zum Schluss nicht müde sein Buch und Schwabs CD ordentlich zu bewerben – so wie er es 1955 für sein erstes Konzert getan hatte. Ob allerdings noch recht viele Exemplare von Buch und Tonträger verkauft wurden, wage ich zu bezweifeln. Seine frisch vermählte Frau, die in der ersten Reihe saß und die er während der Lesung das eine ums andere Mal direkt angesprochen hatte, packte die Bücher erst aus, um sie zum Verkauf anzubieten, als die meisten Besucher schon gegangen waren.
Ach wer weiß, was dem Alten Fritz da wieder für ein ausgeklügelter Verkaufstrick eingefallen war.
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2 Kommentare zu “Literaturtage Lauf 2010 – Jörg Maurer, Fritz Rau und Jürgen Schwab

  1. wildgans sagt:

    hat herr rau auch das mit dem schlafanzug und der greta gabor im hotel erzählt? sei ihm seine rührung gegönnt, er ist ein lieber.
    gruß von sonja

  2. axeage sagt:

    @wildsonja
    Nö, hat er leider nicht. Aber dass er ein Lieber ist, das weiß ich aus vielen, vielen Interviews aus der Vergangenheit und aus seiner Lesung.

    Übrigens, die Liebste hat mir nach der Lesung erzählt, dass sie weiland für das erste Open-Air, das Rau in Nürnberg auf dem Aufmarschgelände der NSDAP veranstaltet hat (heute Zeppelinfeld), Karten gehabt hat (u. a. Bob Dylan und Eric Clapton). Weil aber ihr damaliger Freund nichts mit Musik anzufangen wusste, hat sie die Karten verkauft.
    Heute beißt sie sich deshalb in den Hin….

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